§78

Auschwitz-Prozess Neubrandenburg

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"SS-Sanitäter waren keine Rädchen im Getriebe"

04.10.2017

Eine Erklärung der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme e.V., des Auschwitz-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland e.V. und Context. Bausteine für historische und politische Bildung e.V. zur Einstellung des Auschwitz-Verfahrens vor dem Landgericht Neubrandenburg.

Der Fall des ehemaligen SS-Mannes Hubert Zafke – Erklärung zur Einstellung des Verfahrens

Mit Fassungslosigkeit und Empörung haben wir die Einstellung des Gerichtsverfahrens gegen den früheren SS-Mann Hubert Zafke zur Kenntnis genommen. Auch 72 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus ist es offenbar noch immer nicht möglich, den Opfern des Nationalsozialismus und ihren Nachkommen vor bundesdeutschen Gerichten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Die Staatsanwaltschaft warf Hubert Zafke vor, dass er im KZ Auschwitz „durch seine Tätigkeiten das auf Arbeitsteilung beruhende Vernichtungsgeschehen“ gefördert und somit Beihilfe zum Mord geleistet zu haben. Die Anklage lautete auf Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681 Fällen.

Klaus Kabisch, der Vorsitzende Richter am Landgericht Neubrandenburg, sah das anders. Er legte es von Anfang an darauf an, den Prozess zu verzögern, die Beweiserhebung zu blockieren und Nebenkläger aus dem Verfahren zu drängen. Nach wiederholten Befangenheitsanträgen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage sowie einer Strafanzeige wegen Rechtsbeugung entzog das Landgericht dem Richter im Juni 2017 endlich das Verfahren. Dieser Schritt kam jedoch zu spät. Zweieinhalb Jahre nach Anklageerhebung ist der Angeklagte nun nicht mehr verhandlungsfähig. Aufgrund der Verschleppung des Verfahrens durch den Richter bleiben Zafkes Taten im nationalsozialistischen Vernichtungsapparat ungesühnt.

Während Hubert Zafke im KZ Auschwitz Dienst tat, wurde an der Rampe Walter Plywaskis Mutter zur unmittelbaren Vergasung selektiert. Walter Plywaski war einer der Nebenkläger im Neubrandenburger Prozess, die Richter Kabisch aus dem Verfahren zu drängen versuchte. Zafke versah seinen Dienst in Auschwitz als SS-Sanitäter im Krankenrevier, wo ebenfalls Selektionen durchgeführt wurden. Zuvor war er im KZ Neuengamme eingesetzt. Auch im Krankenrevier dieses Konzentrationslagers wurden routinemäßig kranke und geschwächte Häftlinge durch Giftspritzen umgebracht. Die Zahl der Opfer wird auf etwa 1.000 Menschen geschätzt. SS-Sanitäter waren keine Rädchen im Getriebe, sie haben auch aktiv gemordet. Welche Kenntnis Hubert Zafke von diesen Verbrechen hatte und was er tat, wird nun für immer ungeklärt bleiben.